Wie alles begann:
Am 1. Oktober 1903 gründeten sieben junge Männer aus Nowawes, mit Interesse für Gewichtheben, Kraftsport und Ringen, den Sport-Club Jugendkraft 1903. Unabhängig davon gründeten zwei Jahre später fußballinteressierte Arbeiter aus Nowawes den Fußball-Club Fortuna 05 und nahmen am organisierten Spielbetrieb teil. Am 15. Februar 1919 fusionierten beide Vereine zum SV Nowawes 03. Ab Sommer 1919 spielte der neue Verein in der Kreisliga Berlin-Brandenburg, der zweithöchsten regionalen Spielklasse. Nowawes war eine Ortschaft östlich von Potsdam auf dem Gebiet des heutigen Stadtteils Babelsberg, die von Friedrich dem Großen als friderizianische Kolonie für wegen ihres Glaubens verfolgte evangelische Weber und Spinner aus Böhmen, Exulanten genannt, angelegt wurde. Die Bezeichnung Nowawes ist eine Abwandlung des tschechischen Nová Ves und bedeutet neues Dorf. Im Jahr 1924 wurde Nowawes Stadt mit 25.000 Einwohnern und 1938 mit der Villenkolonie Neubabelsberg zur Stadt Babelsberg zusammengelegt. Babelsberg wurde 1939 nach Potsdam eingemeindet. Von den ursprünglichen Kolonistenhäusern sind heute noch etwa zwei Drittel erhalten. Sie stehen als Ensemble unter Denkmalschutz und befinden sich in der Karl-Liebknecht-Straße sowie der parallel verlaufenden Straße Alt Nowawes. In der Saison 1928/29 trainierte kurzzeitig der spätere deutsche Nationaltrainer Sepp Herberger den SV Nowawes 03. Nach dem Abstieg 1931 in die Kreisliga folgte zwischen 1933 und 1935 der Durchmarsch in die höchste deutsche Spielklasse, die Gauliga Berlin-Brandenburg. Sportlicher Höhepunkt war der Gaufestsieg 1937, bei dem man im Endspiel den FV Cottbus mit 7:1 besiegte. Mit der Zusammenlegung der Stadtteile Nowawes und Neubabelsberg im Jahr 1938 zur Stadt Babelsberg erfolgte die Umbenennung in SV Babelsberg 03. Nur 17 Monate später, Babelsberg hatte bereits das Stadtrecht verloren und war in Potsdam eingemeindet worden, fusionierten die Nulldreier mit den Sportfreunden Potsdam zur Sportvereinigung Potsdam 03.
Die Zeit der Betriebssportgemeinschaften (BSG):
1946 musste die Sportvereinigung wie alle bürgerlichen Vereine aufgelöst werden. 1949 wurden in der DDR die ersten Betriebssportgemeinschaften (BSG) gegründet, die von so genannten Trägerbetrieben unterstützt wurden. In Babelsberg gründete sich neben anderen die BSG Karl Marx Babelsberg. Als Trägerbetrieb fungierte der ortsansässige VEB Karl Marx Babelsberg. 1950 erfolgte die Unterstellung unter die zentrale Sportvereinigung Motor, der künftig alle BSG des Maschinen- und Fahrzeugbaus angehörten. Daraufhin kam es zur Umbenennung in BSG Motor Babelsberg. Deren Fußballmannschaft spielte in den 1950er Jahren zunächst unterklassig. 1961 wurde der SC Potsdam gegründet, der neben ebenfalls neu gegründeten Sportclubs in Neubrandenburg und Frankfurt (Oder) der weiteren Leistungssteigerung des DDR-Sports dienen sollte. Als wesentliches Standbein des SC wurden die Fußballmannschaften der bisherigen BSG Rotation Babelsberg als Sektion Fußball übernommen. Da die Entwicklung der ersten Männermannschaft jedoch in der zweitklassigen DDR-Liga stagnierte, wurde die Fußballsektion im Januar 1966 wieder aufgelöst und in die BSG Motor Babelsberg eingegliedert, die dadurch den Platz in der DDR-Liga einnehmen konnte. Motor spielte noch zweieinhalb Jahre in der DDR-Liga, stieg dann aber 1968 mit nur vier Siegen als Tabellenletzter in die Bezirksliga Potsdam ab. In den 1970er Jahren pendelte die BSG Motor Babelsberg zwischen Bezirksliga und DDR-Liga. Nach einem erneuten Aufstieg 1981 folgten neun Jahre DDR-Liga-Fußball, in denen die BSG dank ihrer treffsicheren Stürmer Axel Brademann und Jörg Nachtigall zum Teil gute Platzierungen erreichte (1982 und 1984 jeweils Zweiter). Als Tabellen-Vorletzter musste die Mannschaft 1989 erneut in die Bezirksliga absteigen. In der Ewigen Tabelle der DDR-Liga steht die BSG Motor Babelsberg unter 199 Mannschaften auf Platz 23.
Neugründung nach der Wende und bis in die 2. Liga:
Zunächst erfolgte die Umbenennung von BSG Motor Babelsberg in SV Motor Babelsberg. Am 10. Dezember 1991 wurde die Fußballabteilung aus dem SV Motor Babelsberg herausgelöst und gründete sich als SV Babelsberg 03 neu. 1993 wurde die Mannschaft Meister der Landesliga Brandenburg und stieg in die Verbandsliga auf. Nach zwei Vizemeisterschaften in der Verbandsliga errang Nulldrei in der Saison 1995/96 die Brandenburgische Fußballmeisterschaft und stieg in die Oberliga auf. Die erste Oberligasaison beendete die Mannschaft wieder als Tabellenerster und stieg weiter in die Regionalliga Nordost auf. 1999 gewannen die Nulldreier den Brandenburgischen Landespokal gegen Stahl Eisenhüttenstadt und durften in der Folgesaison im DFB-Pokal teilnehmen. In der zweiten Pokalrunde, nach Freilos in der ersten Runde, gelang sogar ein 1:0-Sieg über die SpVgg Unterhaching. Unter dem neuen Coach und ehemaligen Spieler Hermann Andreev qualifizierte sich der SV Babelsberg 03 in der Saison 1999/2000 für die neu eingeführte zweigleisige Regionalliga und gewann erneut den Landespokal. Als vermeintlicher Absteiger gehandelt, gelang 2000/01 überraschend sogar der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Nach gutem Start in die Zweitligasaison folgt der Einbruch, so dass die Nulldreier am Saisonende 2001/02 als Tabellenletzter wieder absteigen mussten. Wegen der angehäuften Schulden beantragte der Verein im April 2003 Insolvenz und stand damit vorzeitig als Absteiger aus der Regionalliga fest.
Neuanfang nach der Insolvenz 2003:
Ab der Saison 2003/04 spielte der SV Babelsberg 03 in der Oberliga Nordost (Staffel Nord). Der Wiederaufstieg stellte sich schwieriger dar als gedacht. Unter anderem musste Nulldrei der zweiten Mannschaft von Hertha BSC und im Folgejahr dem 1. FC Union Berlin den Vortritt lassen. Am 20. Mai 2007 schaffte der SV Babelsberg 03 nach vier Jahren in der Oberliga durch ein 4:0 beim BFC Preussen Berlin den Aufstieg in die Regionalliga. Nach dem Aufstieg 2007 in die Regionalliga Nord war das Ziel der zehnte Platz und die damit verbundene Qualifikation für die neue 3. Liga. Anfangs konnte sich die Mannschaft durch eine überzeugende kämpferische Leistung einen Aufstiegsplatz für Liga Drei erarbeiten. Aber nach sechs Spielen mit nur drei Punkten entließ der Verein am 2. Oktober 2007 das Trainergespann Rastislav Hodul und René Tretschok. Am 7. Oktober 2007 wurde Dietmar Demuth als neuer Cheftrainer vorgestellt. Als Co-Trainer wurde Jens Härtel verpflichtet, der schon als Spieler für Nulldrei auf dem Platz stand. Doch auch mit neuem Trainergespann wurde die Qualifikation für die 3. Liga verfehlt, sodass die Mannschaft zur Saison 2008/09 in der von nun an viertklassigen Regionalliga spielen musste. Das Saisonziel, ein Platz im oberen Tabellendrittel, wurde mit Platz drei erfüllt. Die Mannschaft konnte sich sogar lange Zeit im Aufstiegskampf behaupten, den jedoch am letzten Spieltag Holstein Kiel für sich entschied. Zur Saison 2009/10 wurde der Aufstieg in die dritte Liga als Ziel formuliert. Nach dem Gewinn der Herbstmeisterschaft konnte Nulldrei den ersten Tabellenplatz bis zum Schluss halten und stand zwei Spieltage vor Schluss als Meister der Regionalliga Nord und somit als Aufsteiger in die eingleisige 3. Liga fest.
Abenteuer 3. Liga:
In seiner ersten Spielzeit der 2008 eingeführten 3. Liga kämpfte der SV Babelsberg 03 in der Saison 2010/11 lange gegen den Abstieg. Nach einem brauchbaren Start stand man nach der Hinrunde mit 21 Punkten aus 19 Spielen auf Rang 14. Doch ab dem 24. Spieltag folgten sieben Begegnungen ohne Sieg. Als Nulldrei am 19. März 2011 vor heimischem Publikum im Karl-Liebknecht-Stadion 0:4 gegen Unterhaching verlor, rutschte die Mannschaft auf einen Abstiegsplatz. Doch mit dem folgenden 2:1-Auswärtssieg bei der zweiten Mannschaft des FC Bayern München im Sechziger Stadion an der Grünwalder Straße startete die Elf um Torhüter und Kapitän Marian Unger einen grandiosen Schlussspurt. Aus den letzten zehn Begegnungen holte die von Trainer Dietmar Demuth betreute Mannschaft 19 Punkte und sicherte letztlich souverän die Klasse. Nach 38 Spieltagen (12/10/16) standen 46 Punkte und Rang 13 im Drittliga-Tableau. Obwohl der SV Babelsberg 03 sportlich die Klasse gehalten hatte, stand die Teilnahme an der 3. Liga in der Saison 2011/12 aus wirtschaftlichen Gründen in Frage. Der Vorstandsvorsitzende Rainer Speer informierte acht Tage vor dem Abgabetermin der abschließenden Lizenzierungsnachweise beim DFB, dass der SV Babelsberg 03 die erforderlichen Unterlagen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht beibringen könne. Nur unter großen Anstrengungen, unter anderem durch umfangreiche Fanspenden, einer Bürgschaft der Landeshauptstadt Potsdam und Finanzierungszusagen eines Kreditinstituts konnten die Lizenzierungsbedingungen letztlich doch noch erfüllt werden. Die Lizenzunterlagen wurden dabei erst 13 Minuten vor Ablauf der Frist beim Deutschen Fußball-Bund eingereicht. Die Schwierigkeiten bei der Lizenzierung wirkten sich gravierend auf die Zusammenstellung des Kaders für die neue Spielzeit aus. Vor diesem Hintergrund befand sich die Babelsberger Equipe über den gesamten Saisonverlauf 2011/12 im Kampf gegen den Abstieg. Erst am vorletzten Spieltag sammelte das Team mit einem 1:0 Erfolg über Arminia Bielefeld die letzten Punkte zum Klassenerhalt. Mit 44 Punkten belegte Nulldrei den letzten Nichtabstiegsplatz. Obwohl der SV Babelsberg 03 unter schwierigsten Bedingungen die Dritte Liga gehalten hatte, wurde Dietmar Demuth Anfang Mai 2012 nach Kontroversen im Vereinsvorstand – unter anderem traten die Vorstandsmitglieder Roland Schröder und Uwe Schilde umgehend zurück – durch Christian Benbennek ersetzt. Als Folge der Demuth-Beurlaubung und vorangegangener, gravierender Auseinandersetzungen um die zukünftige Vereinsentwicklung traten am 18. Dezember 2012 Aufsichtsratsmitglied Ralf Schöfski, Vorstandsvorsitzender Thomas Bastian, Schatzmeister Hendrik Woithe und Fanbeauftragter Jens Lüscher aus persönlichen Gründen von ihren Ämtern zurück. Unter Christian Benbennek konnte sich die Mannschaft im Laufe der Saison 2012/13 zu keinem Zeitpunkt aus dem Tabellenkeller der 3. Liga lösen. Im April 2013 wurde Christian Benbennek durch den Verein von seinen Aufgaben entbunden. Die sportliche Verantwortung als Trainer übernahm Almedin Civa, ein ehemaliger Spieler und damals aktiver Nachwuchsleiter des Vereins. Zum Ende der Saison 2012/13 erfolgte der Abstieg in die Viertklassigkeit.
Konsolidierung in der Regionalliga Nordost:
Zur Saison 2013/14 wurde Cem Efe zum neuen Cheftrainer berufen. Nach einem Neuaufbau der Mannschaft sicherte er in seiner ersten Amtszeit als Trainer den Klassenerhalt und stabilisierte in den darauf folgenden Spielzeiten die Mannschaft in der Regionalliga Nordost. Zudem hatte er 2016 mit der Mannschaft den Brandenburgischen Landespokal gewonnen, sie schlugen im Finale den Regionalligist FSV 63 Luckenwalde mit 3:1. In der Saison 2016/17 erreichte er mit den Babelsbergern sogar überraschend Platz 5. Wegen unterschiedlichen Ansprüchen bei ihm und der Vereinsführung verließ der Trainer nach vier Jahren Nulldrei und begann eine Tätigkeit als Sportkoordinator bei der AOK Nordost. Zur Saison 2017/18 übernahm der Sportliche Leiter Almedin Civa zusätzlich den Posten des Cheftrainers. In der Saison wiederholte der Club seine gute Vorjahresplatzierung und landete erneut auf Platz 5. In der Folgesaison führt Almedin Civa die Mannschaft auf Platz 7 in der Schlusstabelle und verließ den Klub zum Ende der Saison 2018/19. Ihm folgte Marco Vorbeck, der jedoch schon Ende 2019 entlassen wurde, nachdem die Mannschaft zur Winterpause auf dem vorletzten Platz gelandet war. Das Traineramt übernahm Predrag Uzelac (55, vorher VfB Oldenburg), der bis heute im Amt ist. Der Verein führt konsequent seinen Konsolidierungskurs bestehend aus Entschuldung und sportlicher Stabilität fort. Dabei kann der SV Babelsberg 03 sich zum einen auf eine große Fanbasis und zum anderen auf einen loyalen und breiten Sponsorenpool verlassen. Des Weiteren konnten die Mitgliederzahlen, insbesondere über passive Soli-Mitgliedschaften, auf ca. 1.400 Mitglieder/-innen ausgebaut werden. Ein wichtiger und verlässlicher Partner ist die Stadt Potsdam für die Nutzung und die Bewirtschaftung des Stadions sowie als Partner im 2017 gelösten Schuldenstreit mit der DKB. Der Vorstand um den neuen Vorstandsvorsitzenden Björn Laars und der Aufsichtsrat des Vereins wollen den Verein professionellere Strukturen geben, um mittelfristig in der 3. Liga spielen zu können. Hierbei wird u.a. auch auf die Jugendarbeit gesetzt. Das Nulldrei Nachwuchskonzept entwickelt sich seit über 10 Jahren stetig weiter und orientiert sich an den aktuellen DFB-Maßstäben eines Nachwuchsleistungszentrums. Mittelfristig soll die Zertifizierung in Angriff genommen werden. Die U19, U17 und U15 spielen in der Regionalliga Nordost und trainieren viermal die Woche. Für talentierte Spieler von außerhalb steht ein Wohnprojekt mit Schulanschluss für neun Jugendliche zur Verfügung.
Stadion:
Der SV Babelsberg 03 trägt seine Heimspiele in dem am 10. Juli 1976 eingeweihten und heute 10.787 Zuschauer/-innen fassenden Karl-Liebknecht-Stadion aus, das sich der Verein mit dem Frauen-Bundesligisten 1. FFC Turbine Potsdam teilt. Im Saisondurchschnitt kommen in der Regionalliga ca. 2.000 Zuschauer/-innen pro Spiel, wobei in der vergangenen Saison erstmals über 1.000 Dauerkarten verkauft wurden. Der Zuschauerrekord stammt aus dem Jahr 1977 beim Länderspiel DDR vs. Malta (15.000). Beim Aufstieg in die 2. Liga am 9. Juli 2001 gegen Fortuna Düsseldorf waren 14.700 Fußballbegeisterte im Karli. Das Karl-Liebknecht-Stadion gehört als reines Fußballstadion zweifellos zu den schönsten Arenen seiner Art und vermittelt Kiezgefühl pur, wofür es von seinen Besucher/-innen geliebt wird. Im Jahr 2007 prüfte die Stadt Potsdam, ob im Rahmen der DFB-Bewerbung für die Frauenfußball-WM 2011 ein Stadionneubau im Stadtteil Potsdam-Süd (Siedlung Waldstadt) finanzierbar und durchsetzbar wäre. Daraufhin wurde von Fans des SV Babelsberg 03 die Aktion „Pro Karli“ ins Leben gerufen, um die angestammte Spielstätte zu erhalten. Eine Machbarkeitsstudie plädierte schließlich für den Erhalt des Karl-Liebknecht-Stadions. Das Stadion hat abknickbare Flutlichtmasten, die für den Spielbetrieb ausgefahren werden können. Es entstand die deutschland- und wahrscheinlich europaweit einzigartige Flutlichtanlage, bei der die Masten nach dem Spiel um ein Drittel abgeklappt werden können. Damit werden die Sichtachsen des angrenzenden Babelsberger Parks, welcher Teil des Potsdamer UNESCO-Weltkulturerbes ist, geschützt. Die Flutlichtanlage wurde beim Zweitliga-Spiel gegen Waldhof Mannheim am Freitag, dem 12. April 2002, eingeweiht. Durch das Erzeugen und Speichern grüner Energie mithilfe von Photovoltaikanlagen deckt das Stadion seinen eigenen Energieverbrauch, gerade auch zu Spitzenzeiten wie an Spieltagen, selbst ab. Der Energieverbrauch wird hierbei zudem dank weiterer Umbaumaßnahmen gesenkt. Die bisherigen Halogenscheinwerfer der abknickbaren Flutlichtmasten werden durch LED-Scheinwerfer ersetzt, welche die strengen Richtlinien des DFB erfüllen und zugleich eine Energieeinsparung bei der Stadionbeleuchtung um ca. 70% versprechen.
Fans:
Mit dem Beginn der 1990er Jahre war die Anhängerschaft des SV Babelsberg 03 durch die starke Hausbesetzerszene der Stadt Potsdam alternativ geprägt. Im Gegensatz zu den allgemeinen Entwicklungen im deutschen Fußball in den 90er Jahren konnten hierdurch rechtsextreme Tendenzen gestoppt und aus dem Stadion herausgedrängt werden. Den alternativen Charakter konnte sich die Fanszene bis dato bewahren und engagiert sich stark für gesellschaftliche Standards wie Antirassismus, Antisexismus oder für die Initiative Fußballfans gegen Homophobie. Daneben organisierten die Fans wiederholt Aktionen bezüglich ihres Vereins, z. B. „Pro Karli“ zum Erhalt des Karl-Liebknecht-Stadions, den Versuch den Stadionnamen unter Denkmalschutz zu stellen oder die Beobachtung von eingesetzten Polizeikräften – auch unter dem Einsatz von Rechtsanwälten – bei Fußballspielen des eigenen Vereins, die bundesweit Nachahmer fand. Im Mai 2011, nach dem erfolgreichen Klassenerhalt in der 3. Liga, offenbarte sich die Zahlungsunfähigkeit des Vereins, nachdem Geheimbürgschaften seitens der kommunalen Stadtwerke Potsdam an die Öffentlichkeit drangen. Die abwartende Haltung der damaligen Vereinsoffiziellen nutzte die Fanszene, um selbst Aktionen zur Rettung des Vereins zu unternehmen, und sorgte damit für bundesweite Schlagzeilen. Gebündelt werden viele Themen im Babelsberger Fanprojekt. Diskussions- und Filmabende im Fanladen oder an anderen Orten des Stadtteils (z. B. in Schulen), aber auch Bildungs- oder Gedenkstättenfahrten sind dabei gern gewählte Methoden. Des Weiteren finden Workshops zum Thema „Vielfalt ist Stärke“ mit Schulklassen und Jugendgruppen statt. Neben den offenen Angeboten und der klassischen einzelfallbezogenen Sozialarbeit zeichnet sich das Projekt zudem durch die spieltagsbezogene Vermittlungsarbeit zwischen Fans, Verein und Sicherheitsapparat aus. Der Babelsberger Fanladen außerhalb des Stadions bietet Fans und Fangruppierungen die Möglichkeit eigene Veranstaltungen durchzuführen und ihre teils aufwendigen Choreografien für die Heimspiele vorzubereiten. Während der regulären Öffnungszeiten und damit auch der Anwesenheit von Sozialarbeiter/-innen dient er den oft jungen Fans als zentrale Anlaufstelle für Sorgen und Nöte, ob mit oder ohne Fußballbezug. Bei Heimspielen des SV Babelsberg 03 hat sich der Fanladen zudem als zentraler Treffpunkt für Vereinsfans entwickelt. Des Weiteren gibt es einen Fanbeirat, der die heterogene Fanszene in ihrer Vielfalt gegenüber dem Verein und untereinander vertritt.
Gesellschaftliches Engagement:
Im Sommer 2014 gründete der SV Babelsberg 03 mit der Mannschaft Welcome United 03 eine Mannschaft, die ausschließlich aus Flüchtlingen besteht. Es war in dieser Form die erste Mannschaft in Deutschland. Bereits seit 2009 betrieb der Verein eine Integrationsmannschaft. Alle Flüchtlinge wurden im Verein als Mitglied aufgenommen und mit allen Rechten und Pflichten eingebunden. Insgesamt gehören der Mannschaft etwa 40 Flüchtlinge aus Serbien, Somalia, Syrien, Mazedonien, Nigeria und weiteren Staaten an. Zur Saison 2015/16 wurde die Mannschaft als dritte Mannschaft über den Fußball-Landesverband Brandenburg zum Spielbetrieb angemeldet und tritt seit dem in der Kreisliga Havelland an. Mit #nazisrausausdenstadien wurde eine bundesweite Kampagne ins Leben gerufen, die weiterhin
Bestand hat bzw. leider haben muss. Seine Geburtsstunde erlebte die Kampagne „Nazis raus! Aus den Stadien“ in Folge eines Urteils des Nordostdeutschen Fußballverbandes, welcher die antisemitischen und volksverhetzenden Gesänge zu einem Heimspiel am 28. April 2017 im Gästeblock (FC Energie Cottbus) des Karl-Liebknecht-Stadions überhörte, den Ruf „Nazischweine raus!“ eines Besuchers im Heimbereich aber notierte und in das spätere Urteil des Sportgerichts aufnahm. Wie die Potsdamer Neueste Nachrichten später auf ihrer Titelseite beschrieb, wirkte das wie ein Ventil auf das jahrelange gesellschaftspolitische Engagement des Vereins. Eine gewaltige Welle der Solidarität schlug dem Kiezverein aus Potsdam-Babelsberg entgegen, in zahlreichen Stadien, deutschland- und europaweit, im Profi- sowie im Amateurbereich, sprachen Fankurven ihren Zusammenhalt aus, weltweit thematisierten Zeitschriften, wie die Washington Post oder New York Times, den Vorfall. Hieraus entstand schnell eine Bewegung, durch welche sich viele weitere Vereine aller Ligen gegen Rechtsextremismus und Hetze in Sportstätten positionierten: #nazisrausausdenstadien #gegenrechtehetze #immerundüberall #gemeinsamlauter und schon nach kurzer Zeit waren mit Werder Bremen und Borussia Dortmund zwei Bundesligisten dabei. Dem schlossen sich weitere Profi-Vereine wie der FC St. Pauli, SC Freiburg, Mainz 05, 1. FC Köln, Fortuna Düsseldorf und der VfB Stuttgart an und sind weiterhin aktiv mit diversen Aktionen. Mit der langfristig angelegten Kampagne „Nazis raus! Aus den Stadien“ möchte der Verein interessante Projekte und kleinere Vereine im Kampf gegen „Rechts“ unterstützen.
Sportlich:
Die abgebrochene Saison 2020/21 beendete der SV Babelsberg 03 mit 17 Punkten aus 13 Saisonspielen auf Platz 11. Insgesamt blieb unser Gast in vier Spielen erfolgreich, vier Spiele gingen verloren und fünfmal wurde Unentschieden gespielt. Dabei wurden 18 Tore geschossen und 20 Tore kassiert. Der Kader für die neue Spielzeit 2021/22 ist ausgewogen zusammengestellt, um das Ziel einstelliger Tabellenplatz zu erreichen. Im Tor hatte Marco Flügel (26) in den vergangenen Spielzeiten das Babelsberger Urgestein Marvin Gladrow (31) verdrängt. Diese hat den Verein mittlerweile verlassen. Allerdings hat Nulldrei kurz vor Toresschluss mit Jannick Theißen (23) einen gut ausgebildeten Torhüter aus dem Drittligakader des 1. FC Saarbrücken verpflichtet. In der Abwehr gab es aufgrund von Abgängen die größten Umbrüche. Hier muss der Routinier Marcus Hoffmann (33) den Laden zusammenhalten, ausgestattet mit viel Regionalligaerfahrung und 52 Drittligaeinsätzen beim FC Hansa Rostock. Im Mittelfeld werden voraussichtlich Tino Schmidt (27, Viktoria Berlin, Saison 2017/18 bei Nulldrei mit 11 Toren in 33 Spielen, davor beim FC Carl Zeiss Jena und 1. FC Kaiserslautern II Regionalliga Südwest) und Leonard Koch (26, seit 2016 bei Nulldrei, vorher U23 1. FC Union Berlin) die Taktgeber sein. Wichtiger Neuzugang ist Marcel Rausch (25, Lichtenberg 47, BFC Dynamo, Hertha BSC II). Im Angriff ist der 2020 zurückgekehrte Daniel Frahn (34, Vertrag bis Juni 2022) gesetzt. Interessanter Neuzugang ist Frank Zille (25) vom Bischofswerdaer FV 08. Mit dem seit 2018 beim SV Babelsberg 03 spielenden Pieter-Marvin Wolf (23) kann er das Angriffsspiel variabler gestalten und die nötigen Räume für Daniel Frahn öffnen. Der gebürtige Potsdamer Daniel Frahn spielte bereits von 2007 bis 2010 bei Nulldrei. Legendär die Saison 2009/10 mit der Meisterschaft in der Regionalliga und der Aufstieg in die 3. Liga. Daniel Frahn erzielte damals 29 Tore in 32 Spielen. Sein Weg ging dann bei RB Leipzig von 2010 bis 2015 als Mannschaftskapitän von der vierten bis in die 2. Liga (88 Tore in 154 Spielen), bevor er beim Chemnitzer FC von 2015 bis 2019 in der 3. Liga und Regionalliga Nordost 54 Tore in 114 Spielen schoss. Nach den Vorfällen 2019 beim Chemnitzer FC mit und um Daniel Frahn sowie der rechten Hooliganszene des Chemnitzer FC löste die Rückkehr im Januar 2020 zum SV Babelsberg 03 zunächst heftige Diskussionen innerhalb und außerhalb des Vereins aus. Den Diskussionen innerhalb des Vereins stellte sich Daniel Frahn in umfangreichen Gesprächen sowohl dem Vorstand und dem Aufsichtsrat als auch der sportlichen Leitung, den Vereinsmitgliedern und den Fanvertretern. Dabei räumte er unumwunden Fehler in seinem Verhalten ein, verbunden mit dem Wunsch die Möglichkeit zu erhalten seine Karriere beim SV Babelsberg 03 zu beenden, dem Verein, der ihm als junger Spieler seine Entwicklung ermöglichte. Er distanziert sich öffentlich von rechten Gedankengut, Menschen mit rechter politischer Einstellung und bekennt sich zu den Werten des SV Babelsberg 03. Er versprach Engagement zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen auf und außerhalb des Fußballplatzes. Diesem Versprechen ist Daniel Frahn bisher gerecht geworden. Die Süddeutsche Zeitung stellte in dem Zusammenhang in einem Artikel am 4. Februar 2020 die im Kern menschliche Frage: „Wann hat jemand eine zweite Chance verdient?“ Daniel Frahn hat den SV Babelsberg 03 um diese zweite Chance gebeten. Bisher hat er sie genutzt.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.